Abenteuer Yukon Territorium
  • 20. Juni 1903. Wochen und Monate harter Arbeit lagen nun hinter ihnen, und noch vor Sonnenaufgang legte die »Mary Rose« von der großen Pier in Whitehorse ab. Jack Wagner hatte in den vergangenen Monaten alles daran gesetzt, die neugierige Öffentlichkeit und die Presse von den Bauarbeiten am Schiff und den Vorbereitungen der Reise fernzuhalten. In einer aufgegebenen Werft am Stadtrand hatte er in Rekordzeit das hübsche, strahlend weiß gestrichene Schiff konstruieren und bauen lassen, währenddessen er sich intensiv um Besatzung und »Ladung« gekümmert hat.

    Wenige Wochen nach dem großen Aufsehen, welches das angekündigte Projekt in Seattle ausgelöst hatte, war das Interesse der Öffentlichkeit und der Presse wieder deutlich gesunken. Andere Ereignisse in dieser schnelllebigen Zeit waren in den Vordergrund gerückt, eine Situation, die Jack gar nicht so ungelegen kam.

    Und so gestaltete sich die Abfahrt der »Mary Rose« an diesem diesigen, grauen Morgen völlig unspektakulär und ohne jede Beachtung der Presse und der Bevölkerung von Whitehorse. Gegen Mittag hatte das schnelle Schiff schon die Einfahrt des Lake Laberge erreicht, als die ersten Sonnenstrahlen begannen, den nebliggrauen Dunst über dem See aufzureißen. Es schien ein schöner, warmer Frühsommertag zu werden. Kapitän George Connery, ein weißhaariger Hüne aus dem schottischen Norden, lehnte mit Jack Wagner am Geländer oben am Steuerhaus. Der Kapitän hatte nach der schwierigen Ansteuerung entlang der legendären Pfahlreihe soeben seinem ersten Offizier, David Malone, das riesige Steuerrad übergeben, der nun konzentriert die nicht ungefährliche Seeüberquerung in Angriff nahm.

    Auf dem Weg in die »wilde Stadt«

    »Läuft doch alles prima, Käptn, wenn es so zügig und problemlos weiter geht, können wir schon am Freitag gegen Abend in ihr Dawson sein, oder?« Connery nahm seine Pfeife aus dem Mund, spuckte in hohem Bogen über die Reling in das graugrüne Wasser des Sees und nickte. »Wohl wahr, Jack, bis jetzt bin ich rundum zufrieden. Die Maschine läuft wie ein Uhrwerk und die Mannschaft, die wir ausgewählt haben, ist zuverlässig und versteht Handwerk. Aber am besten, Jack, weitaus am besten gefällt mir unsere Ladung!« Dabei klopfte er Wagner auf die Schulter und lachte dröhnend, wobei eine schon stark gelichtete Doppelreihe tabakbrauner Zähne sichtbar wurde. Sie waren alte Kumpels, die beiden, denn Connery war vor vielen Jahren der beste Kapitän auf Wagners erstem Fischkutter gewesen. Und seither waren sie eng befreundet, hatten viel gemeinsam erlebt und waren jetzt mächtig stolz darauf, in langen Nächten und mit Hilfe unzähliger Flaschen Burgunder, diesen, ihren vorerst letzten und besten Coup bis ins kleinste Detail gemeinsam ausgeheckt zu haben (...)
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    Band 2 - Teslin River/Nisutlin River