Abenteuer Yukon Territorium
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    Regenvariationen

    Sechzehn Uhr. Im Westen braute sich etwas zusammen. Schon am Geruch konnte man das Herannahen der Schlechtwetterfront erkennen, denn sobald die Sonne verschwindet, sobald Regen in den Startlöchern steht, strömt das Land einen anderen Geruch aus. Der frische Duft von Harz, Wasser und Moos verschwindet und stattdessen liegt drückend schwer der Geruch von Moder, Nässe und Fäulnis über der Landschaft. Die Waldtiere ziehen sich ins Unterholz zurück, die Vögel vergessen die nächsten Strophen ihrer Lieder, sogar das immer vorwitzige und unerschrockene Eichhörnchen sucht Schutz in den Kronen der niedrigen Laubbäume.

    Und dann beginnt der Regen zu prasseln. Unaufhörlich und mit Tropfen so groß wie Haselnüsse. Unerbittlich und senkrecht von oben drückt er die Äste der ufernahen Birken zu Boden, während Millionen kleiner Wasserfontänen über die aufgepeitschten Fluten des Teslin springen. Dann kommt noch Wind auf, unerwartet heftig und böig. Die letzten Blätter der Eschen und Ulmen werden von den Zweigen gerissen, der Regen peitscht alles ohne Gnade waagerecht Richtung Westen, und dann ist plötzlich wieder alles vorbei. Kein Tropfen fällt mehr, wie durch ein Absperrventil geschlossen stoppt die himmlische Feuchtigkeit von einer auf die andere Sekunde. Wo sind eigentlich die restlichen Regentropfen geblieben, die noch in der Luft waren?

    Trügerische Ruhe im Flusstal, der Wind flaut ab, die milchigweiße, schwache Sonne räumt sich eine kleine Ecke frei, um die feuchte Situation dort unten zu überblicken. Der Himmel reißt auf, und die dunklen Regenwolken verstecken sich für kurze Zeit hinter den schneebedeckten Hügeln. Aber über das Wetter hier zu diskutieren, lohnt die Mühe nicht. Auf das »schlechte« Wetter angesprochen, werden die Einwohner des Yukongebietes immer wieder antworten: »Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte ein Viertelstündchen, und es wird sich geändert haben«. Und genau so ist es.

    Die Kapuzen werden wieder eingerollt, die wasserdichten Jacken verschwinden unter der Sitzbank. Halstücher trocknen das nasse Gesicht und der vom Sturm gepeitschte und gebeugte Rücken richtet sich wieder auf. Ein kleiner Flachmann wird rasch von Hand zu Hand gereicht, denn nur so lässt sich einer Erkältung vorbeugen. Und aus langer Yukon-Erfahrung ist man schlau geworden. Jede dieser trockenen Gelegenheiten ist günstig, muss sofort sinnvoll genutzt werden!
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    Band 2 - Teslin River/Nisutlin River