Abenteuer Yukon Territorium
  • Boot weiter daran hinderte, unter dem Baum zu verschwinden. Jochen hatte den Süllrand des Hecks mit einer Fußspitze »im Griff«, mit einer Hand klammerte auch er sich an einem dünnen Baumstamm fest, mit der anderen reichte er das Paddel zu den Helfern. Nach gut einer Minute im Wasser hatte ich plötzlich irgendwo wieder festen Boden unter den Füssen, und so konnte ich mit Jochens Hilfe das Boot im Wasser wieder umdrehen, sodass alle festgeschnürten und abgespannten Gepäckstücke bald wieder oben aus dem Wasser schauten. Mit vereinten Kräften schoben wir nun das tonnenschwere Kanu ein Stück den steilen Abhang einer matschigen Böschung hoch und fixierten die Vorleine an einem stabilen Baum. Geschafft! Menschen und Material gerettet! Der Rest ist nur noch Routine! Nicht nur bei uns beiden, die noch immer bis zum Hals im eiskalten Wasser standen, machte sich Erleichterung breit. Erst dann kamen wir beide aus dem Wasser und stellten zitternd fest, dass ein sommerlicher Badeurlaub auf den Malediven doch eine ganz andere Qualität hat.

    Für eine Weile setzten wir uns erschöpft und frierend auf einen morschen Baumstamm, der halb versunken im Matsch am Flussufer lag. Ich schüttete meine Gummistiefel aus, während Gert und Lorenzo die nassen Gepäckstücke auf der Uferböschung stapelten. »Weißt Du, woran ich gerade denken muss?«, fragte Jochen, und nahm dankbar einen tiefen Schluck heißen Tee aus der Thermoskanne, die Martin ihm angeboten hatte. »Keine Ahnung«, antwortete ich, »wahrscheinlich träumst Du von einer heißen Sauna, oder von einem Ritt mit Kamelen durch die Sahara, sicher aber von irgendetwas, was trocken und warm ist, oder?«

    »Nein, ganz im Gegenteil!«, antwortete er und ließ ebenfalls das Wasser aus seinen Schuhen laufen. »Kannst Du Dich noch an das Mädchen erinnern, das wir vor ein paar Jahren in Carmacks getroffen haben? An dieses Pärchen, das vom Big Salmon River kam und dort am Ufer des Yukon gecampt hat? Dieses Mädchen, Sabrina, glaube ich hieß sie, die hatte auch einen dramatischen Kenterunfall am Oberlauf des Big Salmon, war dabei aber ganz alleine unterwegs. Wenn ich mich recht erinnere, hatte sie sogar ihre komplette Ausrüstung und Verpflegung verloren! War das nicht so? Die hatte deutlich mehr Pech als wir heute!« Und dann fiel mir die Geschichte wieder ein, die uns das verzweifelte Mädchen dort in Carmacks erzählt hatte. (...)
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    Band 5 - Upper Liard River