Abenteuer Yukon Territorium
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    Der Untergang des Forts am Yukon

    Das abgelegene Fort Selkirk stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Als die Tlingit-Chilkat im August 1852 unter Führung ihres Häuptlings Kohklux zurückkamen und eine gut ausgestattete Handelsstation vorfanden, war ihre bisherige Toleranz den weißen Händlern gegenüber am Ende. Die Zeichen standen plötzlich auf Krieg! Die Chilkat überfielen und plünderten im Handstreich das Fort. Doch war Kohklux offensichtlich nicht darauf aus, Blut zu vergießen. Wichtiger für ihn war die deutliche Botschaft an die Hudson’s Bay Company, dass deren Anwesenheit hier unerwünscht sei und dass die Tlingit willens und in der Lage waren, ihr Quasi-Handelsmonopol am Yukon energisch und mit allen Mitteln zu verteidigen. Und dafür brauchte der clevere Häuptling keine Toten, die möglicherweise Racheakte der weißen Eindringlinge nach sich ziehen konnten. Campbell und seine Leute wurden mit Waffengewalt in ein Boot genötigt und konnten entkommen. Menschenleben waren glücklicherweise also nicht zu beklagen, nur der Hund Campbells wurde in die ewigen Jagdgründe geschickt. Wohl überlegt von Kohklux und, wie sich herausstellte, sehr effektiv. Fort Selkirk jedenfalls wurde als Handelsposten nicht mehr aufgebaut und es dauerte nochmals rund 40 Jahre, ehe sich 1891 ein Trapper namens Arthur Harper dort niederließ und später im Zuge des alles verändernden Goldrausches am Klondike wieder ein Geschäft eröffnete, um die vorübereilenden Glückssucher mit allen möglichen Mitteln des täglichen Bedarfs, einschließlich einer warmen Dusche, zu versorgen. Der Laden blieb bis zum Bau des Alaska Highways 1942 bestehen. Danach verlor der Yukon River seine Bedeutung als wichtigste Verkehrsader, die kleine Siedlung wurde aufgegeben und Fort Selkirk fiel erneut in einen langen Dornröschenschlaf. Heute wird die historisch bedeutende Stätte mit staatlicher Unterstützung restauriert.

    Campbell und seine Leute erreichten am nächsten Tag völlig erschöpft das Camp eines bekannten und ihnen freundlich gesinnten Indianerstammes der Northern Tutchone, wo sie sich erst einmal von dem Schock erholen konnten. Als sie einige Tage später nach Fort Selkirk zurückkamen, waren die Chilkats zu ihrer Verwunderung verschwunden. Nichts hatten sie zurückgelassen. Alles war kurz und klein geschlagen oder mitgenommen worden. Häuser, Lager- und Verkaufsräume waren völlig zerstört. Nur die einsam in die Luft ragenden, gemauerten Kaminschlote zeugten noch lange Jahre von dieser bewegten Zeit.

    Campbell selbst berichtet von dem Überfall wie folgt: »Nachdem eine Horde von 27 Chilkats am 20. August 1852 vor dem Fort lagerten, wurden wir wenigen Verteidiger am folgenden Tag angegriffen und überwältigt und mussten in die Wälder fliehen. Wir hatten nichts als unser Leben gerettet. Nur unsere Hosen, Hemden, zwei Gewehre und ein paar Schuss Munition und Pulver konnten wir retten. Das Schreien und Brüllen dieser bemalten Fanatiker, wild um sich schießend und alles zerstörend, was ihnen in den Weg kam, entbehrte jeder Beschreibung.« Die Überlebenden fuhren über Fort Yukon zum Hauptquartier nach Fort Simpson, um zu berichten, den Wiederaufbau des Forts und eine harte Bestrafung der marodierenden Chilkats zu fordern.

    Doch Anderson hatte nun endgültig die Geduld verloren, lehnte die Wiedererrichtung kategorisch ab und verweigerte Campbell sogar die Erlaubnis, nach Fort Selkirk zurückzukehren. Die Reputation Campbells war durch den Verlust der Handelsstation und die brüske Zurückweisung Andersons so arg in Mitleidenschaft gezogen, dass er sich wütend entschloss, sich vor seinem bisherigen vermeintlichen Gönner Simpson selbst zu verteidigen. Sollten denn seine langen Jahre voller Entbehrungen letztendlich völlig umsonst gewesen sein? Im November 1852 begann er mit seiner historischen, 3000 Meilen (4.800 Kilometer) langen Durchquerung Nordamerikas zum Hauptquartier der Hudson’s Bay Company in Lachine, nahe dem kanadischen Montréal, das er nach fünf anstrengenden Wintermonaten im März 1853 erreichte. Im Eiltempo per Kanu, Hundeschlitten und zu Fuß. Aber Simpson rehabilitierte ihn nur insofern, als er ihm versicherte, dass seine Verdienste hoch angesehen würden und niemand ihm Feigheit vorwerfe. Jegliche Vergeltungsmaßnahmen gegen die Chilkats oder den Wiederaufbau der Handelsstation lehnte er jedoch kategorisch ab. Insofern folgte er den Ausführungen Andersons. Dieser hatte, als er Simpson den ernsten Vorfall von Fort Selkirk vortrug, seine wenig vorteilhafte Meinung zu Campbells Charakter und Verhalten wie folgt geäußert: Campbell habe Fehler bei der Sicherung und Verteidigung des Forts gemacht. Er zeige mangelndes Pflichtbewusstsein und ihm werde vorgeworfen, dass er die tatsächlichen Verhältnisse sowohl am Frances Lake als auch in Fort Selkirk viel zu günstig dargestellt habe, was die schlechten wirtschaftlichen Ergebnisse letztlich beweisen würden. (...)
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    Band 4 - Pelly River