Abenteuer Yukon Territorium
  • »Bestie Bär«

    »Mr. Burners, you are a renowned expert for bears. What are the reasons for …« Torsten legt die Finger auf die Lippen und wir alle hören gespannt dem Dialog im Autoradio zu. In Ontario hat es eine Frau erwischt. Ein hungriger Schwarzbär war in einem Nationalpark vor wenigen Tagen in ihr Wildniscamp eingebrochen und hatte ihren Ehemann und einen weiteren Begleiter angegriffen, die mit dem Ausnehmen von Fischen beschäftigt waren. Die Frau kam zu Hilfe, der Bär fühlte sich gestört und mit einem Prankenhieb streckte er sie nieder. Den Männern gelang es dann, schwer verletzt, den Bär mit Gebrüll und letzter Gegenwehr zu vertreiben. Zwar konnte über Satellitentelefon ein Arzt herbeigerufen werden, aber für die Frau kam jede Hilfe zu spät. Die beiden Männer kämpften im Krankenhaus noch immer um ihr Leben. Betretenes Schweigen im Auto.

    Der Wildbiologe im Radio berichtet weiter, dass es in Ontario eine schlechte Beerenernte gegeben habe und viele Bären noch ordentlichen Hunger hätten. Man müsse daher mit verstärkter Aggressivität und unerwarteten Angriffen rechnen. Gefährliche Zusammenstöße ließen sich in der Regel durch erhöhte Vorsicht vermeiden, das heißt, nicht in unmittelbarer Lagernähe Lebensmittel aufbewahren, verarbeiten oder kochen. Dies gilt natürlich insbesondere auch für Fische. Das Lager ist unbedingt sauber zu halten, denn Bären sollen einen um den Faktor sechzig empfindlicheren Geruchssinn als Menschen haben und können einen leckeren Braten bei gutem Wind noch aus achtzig Kilometern riechen! Ob sie dann aber noch rechtzeitig zur Mahlzeit kommen, ist nicht sicher. Vielleicht halten sie sich stattdessen an denjenigen schadlos, die sich schon vorher bedient haben!

    Schwarzbären hätten gelernt, den Menschen zu fürchten. Sie gelten prinzipiell nicht als angriffslustig, es sei denn, sie fühlen sich bedrängt oder verteidigen ihre Jungtiere. Man soll zunächst versuchen, sie zu vertreiben, sich bei einem Angriff aber auf jeden Fall mit aller Kraft wehren. Wenn Grizzlys angreifen, bleibt immer nur die Verteidigung mit allen Mitteln. »I lived with black bears for years. They never were aggressive to me, even mothers who had cabs with them …« fuhr er fort. Er lebte viele Jahre unter Schwarzbären und kritisierte unbegründete Angst vor Bären. Seiner Erkenntnis nach sind Bärenmütter, die ihre Jungen dabei haben, sogar weniger aggressiv, als allein umherstreunende, meist männliche Bären, die nur an den Aufbau ihrer Fettringe für den Winter denken. Der Bärenkenner verharmlost weiter: Nach vielen Kontakten hatte »seine« Bärin die Erkenntnis gewonnen, dass von ihm keine Gefahr ausgehe und sie brachte ihm soviel Vertrauen entgegen, dass er sogar mit den Jungen spielen und sie berühren durfte. Schließlich konnte er sie mit Sensoren für Forschungszwecke versehen. Für ihn allein entscheidend sei also, wie die Bärenmutter die Situation einschätzt.

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    Band 3 - Eagle Island / Big Salmon River